Das Heinzelmännchen Und Die Liebe
Es war einmal, vor einer Zeit, die vielleicht nicht so lang war, wie ein Gummiband, aber auf jedenfall noch länger, einen kleinen Mann, und der hieß Heinzel.
Heinzel war viel kleiner, als alle Anderen um ihn herum. Er hatte eine komische grüne Nase, und er wurde schnell und oft ärgerlich und aufgeregt; dann sprang er im Viereck wie ein Verrückter herum und schimpfte und schrie in seiner komischen hohen Stimme.
Dann fingen natürlich alle Anderen an, zu lachen, und das machte den Heinzel noch wütender.
Er hatte einen roten Zipfelhut, den er einmal im Graben neben der Strasse gefunden hatte. Er liebte seinen Zipfelhut, aber die leuchtend rote Farbe liess seine Nase noch grüner erscheinen, und die anderen Menschen im Dorf fanden es noch witziger, und da fingen sie auch dann an, ihn "das Heinzelmännchen" zu nennen.
Die Kinder liefen hinter ihm her und sangen, "Heinzelmännchen, Heinzelmännchen!" und natürlich hat ihn das noch mehr ins Toben und Herumspringen getrieben, so wurde das Lachen immer lauter.
Eines schönen Tages saß das Heinzelmännchen ganz allein auf einem Stein, und weinte.
"Ich hasse dieses Dorf und alle, die hier wohnen! Ich will nicht mehr allein sein, ich will nicht mehr, das alle mich auslachen!"
Er musste sich die Nase putzen mit einem sehr grossen Tuch, weil er ja nun eine sehr grosse Nase hatte. Und da bekam er eine Idee.
Das Heinzelmännchen sprang vom Stein runter und rief, "Ich weiss, was ich machen muss! Ich muss eine Frau suchen! Eine kleine Frau, die genauso aussieht, wie ich. Und sie wird auch eine rote Zipfelmütze tragen, und wir können zusammen rumspringen, und dann wird alles gut werden!"
Und so ging es dann sofort los. Das Heinzelmännchen packte die wichtigsten Sachen in ein Bündel, hängte es an einen Stock, und machte sich auf in die weite Welt, um die Frau seiner Träume zu finden.
Vom Dorf ging das Heinzelmännchen in die Stadt, und suchte und suchte, aber er konnte keine Frau finden, die genauso aussah, wie er.
Von der Stadt ging dann das Heinzelmännchen aufs Land, und suchte und suchte, in jedem Feld, hinter jedem Baum, hinter jedem Stein, aber er konnte seine Frau nicht finden.
So ging das Heinzelmännchen vom Land dann auf die Berge, und das war hart, und steil, und kalt, und er suchte und suchte, aber er konnte seine Frau nicht finden.
Vom Berge stieg er in die Täler, und suchte da, und dann suchte er in den Wüsten, und in den Urwäldern, und sogar im Niemandsland, aber er konnte seine Traumfrau einfach nicht finden.
Deprimiert und erschlagen, ganz vernichted, hoffnungslos schleppte sich das arme Heinzelmännchen in einen alten Sumpf hinein. Das war ein Ötland, grau grün, mit Nebeln, die wie Geister herumhuschten und nichts als schwarzes Wasser und totes Grass gab es dort.
Das Heinzelmännchen seufzte tief und dachte, "Das ist wohl der richtige Platz für mich, ich gehe da rein, und komme nie wieder raus. Na ja, wenigstens lacht hier keiner, und ich kann wenigstens in Ruhe sterben ..."
So ging er immer tiefer in den Sumpf hinein, und es wurde Abend, und dann Nacht, aber das Heinzelmännchen war immer noch stark und kräftig, und kämpfte immer noch weiter gegen den nassen, ziehenden Boden und das harte, schneidende Grass.
Dann war es auf einmal ganz dunkel, und er konnte garnichts mehr sehen.
"Das ist wohl das Ende," sagte er sich, und war schon bereit, sich einfach in den nassen Sumpf fallen zu lassen, und einfach darin aufzugehen, in ihn einzugehen, und dann wäre all die Qual endlich vorbei ...
Aber was ist das?
Ein Licht in der dunklen, schwarzen Nacht?
Das Heinzelmännchen seufzte schwer, denn er wusste, daß er immer noch Kraft im Herzen hatte, und seine kurzen, krummen Beine fingen schon ganz von alleine an, ihn vorwärts zu tragen, auf das Licht hinzu, ob er es nun wollte, oder nicht.
Das Licht wurde größer, dann klarer, und das Heinzelmännchen konnte eine Hütte sehen.
Als er nur noch drei Schritte von der Hütte entfernt war, öffnete sich die Tür, und goldenes Licht schien auf das Heinzelmännchen, und in der offenen Tür, vom goldenen Licht umspielt, stand eine wunderschöne Frau mit langen, goldenen Haaren und erstaunlichen goldenen Augen.
Das war die Sumpfhexe, die sich im Herzen des Ödlands verstecken musste, damit nicht alle Leute der Welt hinter ihr herlaufen würden, und sie in ihrer Not und Qual zerreissen würden.
Die Sumpfhexe lächelte ein goldenes Lächeln und bat den armen, schmutzigen, deprimierten, erschöpften Heinzelmann nun in ihr Haus einzutreten.
Der Heinzelmann bemerkte garnicht, daß das Haus der Sumpfhexe innen viel größer war als aussen, oder daß es wunderschön und hoch-luxuriös ausgestattet war, mit exotische Blumen und Bäumen, einem Wasserfall und goldenen Kissen auf weißem Kristallmarmor; er stolperte herein, fiel in die Kissen und schlief sofort ein.
Für drei Tage und drei Nächte schlief das Heinzelmännchen im Hause der Sumpfhexe und träumte überhaupt nicht, und die Sumpfhexe saß bei ihm, und wusch seine Kleider und seine Füße, und sang sanfte Lieder aus der alten Zeit dabei.
Als das Heinzelmännchen endlich wieder aufwachte, war er unheimlich hungrig, und die Sumpfhexe gab ihm wunderbare Dinge zu essen aus allen Ländern, die bekannt sind, und aus vielen, die nicht bekannt sind, denn Sumpfhexen haben Verbindungen zu anderen Welten, wo es viele, schöne Dinge gibt.
Und dann war das Heinzelmännchen endlich so weit, das es der Sumpfhexe seine traurige Geschichte erzählen konnte.
Wie er nach einer Frau gesucht hatte, die genauso war wie er, genauso aussah wie er, sich genauso benimmt wie er, und genauso denkt und fühlt wie er, und wie wer sie nirgentwo finden konnte, nicht im Dorf, nicht in der Stadt, nicht auf dem Land, nicht auf den Bergen, nicht in den Tälern, nicht in der Wüste, nicht im Urwald, und auch nicht im Sumpf.
"Nun muss ich immer alleine bleiben," weinte das Heinzelmännchen in das große Stück Kuchen, das er in beiden Händen hielt, "Die Frau für mich, die gibt es halt nicht ..."
Die strahlend schöne Sumpfhexe hatte gut zugehört, mit ihren feinen Händen auf dem Herzen, und nun fing sie an, zu lächeln. In ihrer sanften Stimme wie Musik sagte sie zum Heinzelmännchen, "Ich weiß, was hier passiert ist, und wo du falschgelaufen bist, mein kleiner Freund! Soll ich es dir sagen?"
Das Heinzelmännchen, mit dem Mund und beiden Backen voller Kuchen, nickte mit dem Kopf so sehr, das Kuchenkrümel durch die Luft flogen.
"Du suchst eine Frau - da suchst du das Falsche," sagte die Sumpfhexe fröhlich.
"Du must die Liebe suchen!"
Das Heinzelmännchen schluckte hart, und noch einmal, und dann noch einmal. Seine Augen wurden groß, dann immer größer.
"Die Liebe suchen ...? Aber wie sieht die denn aus? Wie kann ich sie erkennen?"
Die Sumpfhexe lächelte und machte eine interessante Bewegung mit ihren feinen Händen.
"Die Liebe kann man nicht sehen. Die muss man im Herzen fühlen. Dein Herz ist wie ein Kompass, wenn du nur schön aufpasst, und auf dein Herz achtest, wird es dich in die richtige Richtung führen."
Das Heinzelmännchen saß ganz still in den goldenen Kissen, und es konnte eine Rührung fühlen, so etwas wie Hoffnung, und es war wie eine kleine alte Glut, die gerne wieder ein richtiges Feuer werden wollte.
Langsam nickte das Heinzelmännchen mit dem Kopf, und sein roter Zipfelhut nickte mit.
"Die Liebe suchen ..." sagte er langsam, und bedächtig, wie ein Gebet.
"Ja," sagte die strahlende Sumpfhexe, "Genau! Und je mehr du suchst, desto mehr Liebe wirst du finden. Und dann wirst du niemals mehr allein sein, oder traurig."
Das Heinzelmännchen schaute sich die wunderschöne Sumpfhexe an, und er konnte etwas in seiner Brust fühlen, und er dachte, ich glaube, ich verstehe was sie meint.
Und so war das dann.
Das Heinzelmännchen blieb noch ein paar Tage im Hause der Sumpfhexe, bis er seine richtige Stärke und Lebenslust wiedergewonnen hatte. Dann machte die Sumpfhexe ihm ein schönes neues Bündel, mit magischem Kuchen und Zaubersaft für die Reise, und früh an einem Morgen, wo die grauen Geisternebel rosa über das Ödland tanzten und es war schön, und zauberhaft, da ist dann das Heinzelmännchen losgezogen, um die Liebe zu suchen.
Und wir wissen, das er sie gefunden hat, den heute gibt es Heinzelmännchen überall, und die Menschen habe sie ihn ihren Gärten stehen, und ein jedes Heinzelmännchen, das du siehst, ist eine Errinnerung an das Erste - und das erste war der Heinzel, der hat die Liebe gesucht, und auch gefunden.
Silvia Hartmann
Das Heinzelmännchen und die Liebe - Die originale Geschichte erstand spontan waehrend eines Audiotests in der Schweiz. Diese Version von Notizen/Erinnerung aufgeschrieben am 17. Oktober 2014.
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