Da gab es einmal einen alten Drachen, und der schlief so schön und träumte so schön, in seinem Nest aus Gold.
Der Drachen war gross und sein Nest war noch viel grösser; so viel Gold, und es ging tief, tief in das Felsgestein, damit unser Drachen auch ganz bequem sein konnte, das weiche, runde Gold war wie ein Federkissen für unseren Drachen.
Irgentwann, vor Zeiten, die wir nicht einmal erfassen können, waren das goldene Objekte, von Menschen sorgfältig hergestellt. Das mögen Münzen gewesen sein, oder Königskronen; fantastische Becher und Stäbe der Macht; Ringe und Ketten der Liebe; Skulpturen von Göttern, von Tieren, Symbole eines alten Zaubers und noch mehr ...
Aber der Drachen, der war schwer und das reine Gold ist weich, und so hat der Drachen tief im Schlaf gekuschelt, und gedreht, von einer Seite auf die andere, und durch die Zeit hindurch, da wurden die Objekte immer runder, immer mehr wie Spheren, manche klein, manche gross, und das Drachennest wurde immer mehr bequem, und der Drachen konnte besser schlafen, tiefer träumen, höher fliegen in den weiten Drachenwelten, wo die Farben tanzen, die Sterne singen.
Ausserhalb der Drachenhöhle rannte die Zeit, als ob sie eine Goldmedaille gewinnen wollte.
Menschen rassten durch ihre kurzen Leben, bauten auf, schmissen um, wieder und wieder und wieder, die Drachen wurden zu Geschichten, dann wurden sie total vergessen, aber das war ja egal. Es ist egal, ob Menschen sich erinnern; der Drache war immer da, und er schlief schön, und schlief so hoch; das war halt, wie es war.
Draussen, die Menschen machen weiter. Sie werden schlau, dann werden sie schlauer; dann werden sie zu schlau und alles fällt wieder zusammen, und sie sind wieder dumm, aber sie geben nicht auf und machen immer schön weiter, rennen immer schön weiter, durch ihre kurzen Abenteuer auf der Welt.
Die Berge sind ein bischen langsamer, aber auch die Berge wandern, wachsen, fliessen mit dem Wind und Wasser von den Höhen in die Täler, und so war es irgentwann, dass der Berg, in dem der Drachen schlief, sich schüttelte und viele Steine sind gefallen, und zum ersten Mal in Zeiten, die wir uns nicht mal vorstellen können, ist ein Sonnenstrahl auf den Drachen gefallen, auf das Gold gefallen, und Licht hat da getanzt, ein Sturm von runden, goldenen Lichterwesen, jung und kichernd hüpfen sie dahin, kitzeln den Drachen in der Nase, auf dem Rücken und auch an der Schwanzspitze ... das ist das erste Teil des Drachens, das erwacht.
Zur gleichen Zeit, da gab es einen Menschen, so einer, genau wie wir, der lebte in den Bergen. Natürlich war er voller Anst, denn wenn die Berge sich schütteln, und der Grund unter den Menschenfüssen nicht mehr einfach stillhält, sondern sich bewegt, das ist so eine Sache, die wir Menschen wirklich komisch finden.
Doch da ist mehr. Der Berg, den sich der Mann für 20 Jahre lang jeden Tag angesehen hatte, und der für 20 Jahre immer gleich ausgesehen hatte, war nun anders.
Wo zwei Spitzen waren, gab es nun nur eine Spitze, und nicht nur das, da mitten in dem Berg, da war ein goldenes Licht.
Nun ist es so, das alle Menschen einen inneren Drang zu goldenem Licht haben, und es ist egal, wie schlau oder wie dumm sie sind, das ist halt eine Menschensache, und unser Freund kann halt nicht anders.
Er muss erfahren, was da los ist mit dem goldenen Licht, und er fängt mit dem Klettern an.
Das dauert halt nun seine Zeit; da gibt es viele Steine, viel Geröll und irgentwo kann man das Schicksal kichern höhren, weil nach den längsten Zeiten unser Mann genau dann, nach Luft schnappened, in die Drachenhöhle tritt, genau zu dem Moment, wo der Drachen zu ersten Mal seit Ewikgkeit erwacht.
Der Drachen macht die Augen auf, und sieht den winzigkleinen Mann.
Der winzigkleine Mann schaut in die Juwelenaugen der Unendlichkeit.
Man hat gehört, das soll vielleicht mal passieren.
Liebe auf den ersten Blick.
Das Schicksal lacht nicht mehr, ist stumm und still, verbeugt sich vor der Heiligkeit.
Der Mann vergisst, wie winzigklein er ist.
Der Drache ist nicht mehr allein.
Die Zeiten fangen an, zu tanzen; eine wird viel ruhiger, hört auf, zu rasen, atmet durch, vergisst die Angst; die andere erwacht, beginnt zu atmen, sich zu bewegen, synchronisiert, der Tanz beginnt.
Und nun sind wir in einer anderen Welt, ein Kind der Zeit ist neu geboren, das alte Unheil ist vorbei, das Schicksal nun die gute Fee, und goldene Segnungen fliegen frei von ihrem Zauberstab, ein jedes ein Gedanke, Einsicht und Idee.
Silvia Hartmann August 14, 2022
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